Betonierte Geschichte - über die museale Rekonstruktion des Stützpunkt 58


Als die Bauwerke der Bundesfestung Ulm 1859 fertig gestellt waren, kam es schon wenig später zu neuen Entwicklungen der Geschütztechnik. Weitreichende Geschütze und die Erfindung der Brisanzmunition veränderten die Lage für bestehende Verteidigungsanlagen schon bald dramatisch. Die Bauart von Festungen musste überdacht und angepasst werden.


Die ersten deutlichen Veränderungen wurden ab 1880 in Ulm in den beiden modernen Forts auf dem Oberen Eselsberg umgesetzt. Sie zeigen kaum mehr freistehendes Mauerwerk und haben starke Erdauflagen auf allen Räumen, so dass die neuen Granaten bei der Explosion weniger Schaden hätten anrichten können.
Doch selbst diese modernen Werke waren dann ab dem Ende 19 Jahrhundert abermals veraltet und mussten verstärkt werden. Dazu verwendete man das neu aufgekommene Baumaterial Beton. Gleichzeitig baute man ab 1901 zehn so genannte Infanteriestützpunkte. Diese wurden, angepasst an das Gelände, in einer noch größeren Entfernung zur alten Festung und vollständig aus Beton gebaut – mittlerweile war die Reichweite der Granaten nochmals um ein Vielfaches gestiegen. Es waren reine Zweckbauten, die im Gegensatz zu den älteren Festungswerken aus Ziegel- und Kalkstein auch keine ausschmückenden Verzierungen an der Fassade mehr erhielten.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 begann man sofort mit dem weiteren Ausbau der Festung Ulm. In einem weit ausgreifenden Ring wurden zusätzliche Infanteriestützpunkte und Verbindungslinien gebaut. Fast völlig in die Erde eingesenkte Betonbauten entstanden nach einheitlichem Muster, verbunden durch Schützengräben. Doch schon knapp einen Monat nach Baubeginn änderte sich die Lage: die Festung Ulm wurde als unwichtig eingestuft und die Arbeiten eingestellt. Im weiteren Verlauf des Ersten Weltkrieges spielten sie keine Rolle.
Was von diesen Bauwerken auch durch spätere Abbruchmaßnahmen nicht beseitigt wurde, ist heute in Deutschland einzigartig. Doch die Vermittlung dieser jüngsten Bauten des denkmalgeschützten Ensembles "Festung Ulm/Neu-Ulm" in der Öffentlichkeit ist nicht einfach. All zu leicht werden die Anlagen für Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg gehalten oder wegen ihres wenig imposanten Erscheinungsbilds im kulturgeschichtlichen Wert unterschätzt.

Aus diesem Grund hatte der Förderkreis Bundesfestung Ulm im Dezember 2012 vier der sechs Bauwerke erworben, die zum „Infanteriestützpunkt 58“ südlich der Neu-Ulmer Humboldt-Straße gehören. Sofort war mit der Rekonstruktion der Erdformationen und der Rodung von Schadbewuchs begonnen worden. Später verlagerten sich die Anstrengungen dann in das Innere der betonierten Unterstände: In vielen Arbeitseinsätzen wurden ausgebrochene Fensteröffnungen und Türrahmen repariert, Zugänge mit stabilen Eisengittern vor Einbruch und Vandalismus gesichert, dicke Holztüren mit originalgetreuen Beschlägen angefertigt und im Inneren montiert und Ausbesserungen an der Betonfassade vorgenommen. Ein besonderes Projekt war die Wiederherstellung der Inneneinrichtung im Wachtraum 2. Genauso, wie sie 1914 hier bestanden hatte, wurde sie nach Originalplänen angefertigt und eingebaut. Die hölzernen Sitzbänke, Klapptische, Tornisterbretter und der Boden vervollständigen diesen Raum und geben einen Eindruck davon, wie er einst genutzt worden wäre.

Anlässlich der Vollendung dieser Rekonstruktion wurden die bisherigen Arbeiten der Neu-Ulmer Oberbürgerbürgermeisterin Katrin Albsteiger am Sonntag den 25. Oktober 2020 vorgestellt. Entsprechend der allgemeinen Lage war nur ein kleiner Kreis geladener Gäste anwesend - mit Alltagsmasken, Abständen und Aufenthalt unter freiem Himmel wurden die Hygieneauflagen mehr als erfüllt.
In Ihrer Begrüßung ging die Oberbürgermeisterin auch auf den Zweck der Bauwerke ein: „In gewisser Weise passt der heutige graue Himmel zu diesen Anlagen, die für kriegerische Handlungen gebaut wurden und in denen die Soldaten im Ernstfall um ihr Leben hätten fürchten müssen“.
Sie dankte dem Förderkreis Bundesfestung dafür, dass dieser sich um die weitläufigen Anlagen der Bundes- und Reichsfestung in Ulm und Neu-Ulm kümmert.

Dass dieser Einsatz nicht nur den architektonisch schönen, alten Festungswerken gelten dürfe, erläuterte der 1. Vorsitzende Matthias Burger. Er betonte, dass die Vermittlung der geschichtlichen Zusammenhänge nicht gelingen könne, wenn man unspektakuläre Teile der Festung einfach vernachlässigen würde. Projektleiter Markus Theile erklärte dann die Bautechnik und Konzeption des Infanteriestützpunkts 58 und zeigte die bisherigen Restaurierungen und Rekonstruktionen im Detail. Er zeigte auch, dass noch längst nicht alles fertig ist. Das museale Ziel, den letzten in Deutschland erhaltenen Infanteriestützpunkt von 1914 originalgetreu erlebbar zu machen, ist aber zumindest in wichtigen Teilen erreicht.


 

 

 

 

 

(weitere Bilder folgen)

 

Corona bedingt konnten wir in diesem Jahr quasi keine Führungen durch unsere Anlagen anbieten -
keine Führungen, keine Spendeneinnahmen.
Vor allem der Bau des Blockhaus am Festungsmuseum leidet darunter.

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